26.10.2004 EITERFELD. Mit typischem Geknatter hob heute Mittag der Hubschrauber vom Startplatz am ÜWAG-Umspannwerk in Eiterfeld (Kreis Fulda) ab. Mit an Bord neben Pilot Jürgen Ammon von der Kasseler Helicopter-Flug Service GmbH sind bereits seit Tagen Karl-Heinz Noll und Martin Arzt vom Verteilnetzbetrieb der ÜWAG. Bis zum 5. November 2004 sind insgesamt über 20 Spezialisten des größten osthessischen Energieversorgers unterwegs, um per Hubschrauber das Mittelspannungs-Freileitungsnetz abzufliegen. Jedes Jahr werden die insgesamt 740 Kilometer Mittelspannungs-Freileitungen mit ihren 7.500 Strommasten aus Beton, Stahl und Holz kontrolliert - in jedem zweiten Jahr gehen die Experten der ÜWAG zu diesem Zweck in die Luft.

"Die regelmäßige intensive Leitungskontrolle vom Boden und aus der Luft ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts zur Sicherstellung einer zuverlässigen Stromversorgung," erläutert Dipl.-Ing. Michael Brehler, Leiter der Abteilung Verteilnetzbetrieb der ÜWAG und verantwortlich für die Befliegungen. Durch die kontinuierliche Überwachung stellt der osthessische Energieversorger sicher, dass sich Störungen, die durch Schäden an der Freileitung verursacht werden können, auf ein Minimum reduzieren. "Schäden vorbeugend verhindern", nennt Brehler den Gedanken, der dahinter steht.

Insgesamt beträgt die Länge des Mittelspannungsnetzes (20.000 Volt) bei der ÜWAG rund 1.600 Kilometer - gut 800 Kilometer liegen aber als Kabel unter der Erde. "Es ist schon richtig, dass der Bau von Freileitungen günstiger ist als das Verlegen von Kabeln", erläutert Brehler, "allerdings erfordern die Freileitungen, die in unserem ländlich strukturierten Gebiet eine große Rolle spielen, einen deutlich größeren Kontroll- und Pflegeaufwand. Die Leitungsbefliegung gehört unverzichtbar dazu."


Besonderer Kundendienst

Die Leitungskontrolle aus der Luft ist zwar kein billiges Unterfangen - knapp 600,00 € pro Flugstunde muss die ÜWAG für den Hubschraubereinsatz zahlen -, doch Michael Brehler ist überzeugt, dass das Geld gut angelegt ist: "Die Leitungskontrolle ist Dienst am Kunden! Denn am Ende profitieren doch unsere Kunden davon, dass das ÜWAG-Netz technisch in einem Topzustand ist."

80 Flugstunden hat die ÜWAG in diesem Jahr gebucht, um ihr Mittelspannungs-Freileitungsnetz unter die Lupe zu nehmen. Nach einem minutiösen Plan fliegt Jürgen Ammon den Helikopter durch das ÜWAG-Netzgebiet. Die "Flugbegleiter" vom Verteilnetzbetrieb schauen mit Argusaugen auf Stromleitungen, Masten, Überspannungsableiter und Isolatoren. Auf den Knien hält der Protokollant einen Kartenausdruck, auf dem jeder Mast verzeichnet ist. Wenn alles in Ordnung ist, kommt ein Häkchen an den kontrollierten Abschnitt. Alle Unregelmäßigkeiten werden aufgezeichnet und klassifiziert, daraus werden dann Arbeitsaufträge für die Kollegen des jeweils zuständigen technischen Servicecenters. Sie arbeiten die Aufträge dann nach Dringlichkeit gestuft ab - im Bedarfsfall rückt ein Team noch am gleichen Tag aus.

"Aus der Luft lässt sich der Abstand von Bäumen zu unseren Freileitungen optimal überprüfen. Auch kleine Schäden an Isolatoren oder Kabelendverschlüssen sind Fehler, die wir häufiger feststellen", berichtet Verteilnetzbetrieb-Leiter Michael Brehler über die Arbeit des ÜWAG-Teams im Hubschrauber. Statistisch gesehen findet sich auf jedem Kilometer ein Fehler - das allerdings hört sich weitaus dramatischer an, als es in Wirklichkeit ist. Denn "Fehler" bedeutet in der Fachsprache der Verteilnetz-Experten lediglich, dass etwas zu tun ist, z. B. die Bäume zurechtstutzen, deren Äste sich der Freileitung so weit nähern, dass Sturm oder Eisbruch sie hineindrücken könnten, was dann zu einer Störung führen würde. Oder es ist das Öl in Kabelendverschlüssen aufzufüllen, um die Isolierung aufzufrischen. Regelrechte Leitungsschäden - etwa eine aufgespleißte Leitung - sind die Ausnahme. "Durch unser engmaschiges Kontroll- und Instandhaltungsprogramm ist unser Mittelspannungsnetz außerordentlich gut in Schuss", bestätigt Brehler.


Genaues Protokoll statt wilder Action

Was vom Boden aussieht wie eine Stunt-Szene aus einem Action-Film ist in Wirklichkeit konzentrierte Arbeit für das Team an Bord. Hubschrauber-Pilot Ammon muss mit Fingerspitzengefühl und Flugroutine seinen 641 PS starken Helikopter bis auf zwei Meter an Masten und Leitungen heranfliegen und schwebt dann mit nur 10 Stundenkilometern - die Flieger sprechen von 7,5 Knoten - die Stromleitung entlang, Meter für Meter. Von unten hat man den Eindruck, dass der Hubschrauber in Zeitlupe mit den Kufen auf der Leitung entlang rutscht.

Die Männer von der ÜWAG und der Pilot sind ein eingespieltes Team. Rund 75 Kilometer Leitungen kontrollieren sie in diesen Wochen an jedem Tag zwischen Sonnenauf- und -untergang. Das Einzige, was den engen Terminplan gefährden kann, ist das Wetter: Wenn es zu sehr stürmt, kann der Turbinen-Hubschrauber nicht gefahrlos nahe genug an die Stromleitungen heranfliegen. Der Strom wird übrigens nicht abgeschaltet, wenn der Hubschrauber sich den Freileitungen nähert. Mit 20.000 Volt praktisch vor der Nasenspitze sind eine ruhige Hand und viel Erfahrung des Piloten unverzichtbar - darum arbeitet die ÜWAG auch mit der auf genau diese Aufträge spezialisierten Kasseler Helicopter-Flug Service GmbH zusammen.


"Eichhörnchen" gewährt Blick auf Vogelschutzmaßnahmen

Zum vierten Mal ist Hubschrauberpilot Ammon mit seinem "Ecureuil"-Hubschrauber für die ÜWAG im Einsatz - ein erfahrener Leitungskontroll-Pilot mit Lizenz zum Tiefflug und über 4.000 "Netz-Flugstunden". Die Einsätze des "Eichhörnchens" (so lautet der französische Name des Hubschrauber-Modells in der Übersetzung) wird vorab bei den zuständigen Behörden angemeldet - so können die offiziellen Stellen notfalls besorgten Anliegern Auskunft geben, die sich über den Anblick des "in der Leitung hängenden" Helikopters wundern. Rund drei Stunden dauert jeder Inspektions-Flug. Dann brauchen Pilot und Kontrolleure eine Pause - und der Helikopter neues Kerosin.

Aus der sprichwörtlichen Vogelperspektive lassen sich übrigens auch die Aktivitäten der ÜWAG zum Vogelschutz besonders gut erkennen: Sitzstangen und Kunststoff-Ummantelungen der Sammelschienen verhindern, dass Vögel auf stromführenden Teilen rasten.

Im nächsten Jahr werden die Monteure der ÜWAG die Mittelspannungsleitungen wieder vom Boden aus kontrollieren. Sobald das Laub von den Bäumen gefallen ist, werden sie mit Plänen und Protokollblocks durch Wald und Felder gehen. Diese kontinuierliche Kontrolle gewährleistet die sichere Energieversorgung für die rund 250.000 ÜWAG-Kunden.

Quelle: Osthessen News